1. Reformierte Kirchgemeinde Kilchberg
  2. |
  3. Vergangenes
  4. |
  5. Interview – «Seelsorge nicht...

Interview – «Seelsorge nicht nur in besonderen Situationen»

Pfarrer Ralph Müller ist seit rund einem halben Jahr in der reformierten Kirche Rüschlikon tätig.  Anlässlich seines Einführungsreferats zur Erwachsenenbildungsreihe beantwortete er uns Fragen zu seiner neuen Tätigkeit und dem Thema «Frieden».

Ralph Müller, Sie sind seit August 2022 Pfarrstellvertreter in Rüschlikon. Wo legen Sie in Ihrer seelsorgerischen Tätigkeit den Fokus?

Als das Zentrale in meiner Arbeit betrachte ich die Hauptaufgaben einer Pfarrperson: Die Gottesdienste, die Seelsorge, das Unterrichten bzw. die Erwachsenenbildung und die Gemeindeleitung. Bei den Gottesdiensten ist mir wichtig, die Besuchenden nicht zu langweilen und ihnen jedes Mal einen neuen Gedanken oder etwas Augenöffnendes aus der Bibel mitzugeben. Ich finde die Bibel ungeheuer spannend, wenn man zum Beispiel die historischen Hintergründe tiefer erklären kann.  Seelsorge findet für mich nicht nur in besonderen Situationen statt. Ich versuche, möglichst vielen Menschen auf natürliche Weise in der Gemeinde zu begegnen.


Wie muss ich mir das vorstellen?

Das tue ich etwa, indem ich in Gruppen arbeite. Ich biete zum Beispiel einmal im Monat ein Treffen für Trauernde oder Abschiednehmende an. Ich bin seit 20 Jahren Pfarrer und habe im Laufe der Zeit gemerkt, dass es einem guttut, wenn man den Verlust teilen kann und realisiert, es geht anderen genau gleich. Dann habe ich schon mehrere Vorträge angeboten, zum Beispiel über die «Glaubenshaltung von Hermann Hesse» oder das «Gottesbild in den Gedichten von Rilke». Auch so erreicht man mehrere Gemeindeglieder. Dann biete ich alle zwei Wochen ein Bibelseminar und einen Hauskreis an. Persönliche Seelsorge erlebe ich, wenn ich zum Beispiel Besuche zu Hause mache oder in Institutionen. Hinzu kommt auch das Unterrichten und Feiern für die jüngeren Generationen: Vom «Fiire mit de Chliine und Grosse» bis zum Konf-Unti.  Sie sehen, meine Arbeit ist wunderbar vielseitig.


Sie waren lange in einer anderen Gemeinde tätig. Welche Besonderheiten sehen sie hier im Vergleich zu früheren Pfarrstellen?

Mein Eindruck ist, dass viele Menschen in Rüschlikon mit ihrem Leben zufrieden sind. Sie sind sich bewusst, an welch’ schönem Ort sie sein dürfen. Vorher arbeitete ich 14 Jahre in Zürich Nord, hauptsächlich in Oerlikon. Dort wurde ich um einiges mehr mit Menschen am Rande der Gesellschaft konfrontiert, als bisher hier in Rüschlikon. Ich erlebe daher nun, wie es ist, wenn eine Kirche «noch im Dorf ist». Ich frage mich aber auch immer wieder: Was ist denn hier das Bedürfnis der Menschen gegenüber der Kirche? Was wollen sie? Was wünschen sie sich? Was sollen wir vielleicht Neues anbieten?


Mit Ihrem Einführungsreferat stellen Sie sich den Kilchbergerinnen und Kilchbergern vor. Ist die Bibel ein gewalttätiges Buch, wie im Vorspanntext zum Referat polemisch gefragt wird?

Die Bibel widerspiegelt die Realität des menschlichen Lebens auf diesem Planeten. Sie zeigt kein geschöntes Bild, sondern zeigt auf, wie brutal, ja gar grausam Menschen sein können. Sie hält uns somit oft einen Spiegel hin, in dem wir uns wiederfinden können. Dabei fliessen dann natürlich die Antworten Gottes und seines Sohnes auf unser menschliches Tun ein. Vorrangig will sie eine Botschaft sein, damit wir unsere Haltung und unser Handeln überdenken und es auch schaffen, das immer wieder zu ändern. Mit inbegriffen ist der Zuspruch, dass wir auf unserem Weg nicht alleine sind. Dass da eine Kraft ist, welche uns unterstützend helfen und uns tragen möchte. Die letztlich eine Güte ist, in der wir uns geborgen fühlen können.


Im Zusammenhang mit Kriegen wie demjenigen in der Ukraine hört man kaum je etwas vom Wirken der Kirche. Was soll sie tun, um Frieden zu fördern?

Die Kirchen arbeiten nicht sehr medienwirksam. Unser Credo ist nicht: «Tue Gutes und komm in die Medien». Sehr viele Kirchen, Kirchgemeinden und den Kirchen nahestehende Menschen setzen sich zum Beispiel sehr für die Ukraine ein, nehmen Flüchtlinge auf etc. Es gibt auf verschiedenen Ebenen direkte Kontakte von Kirchen zu Kirchen in den Konfliktgebieten. Das finde ich alles sehr friedensfördernd. Das meiste geschieht aber abseits der Öffentlichkeit. Ich gebe Ihnen aber insofern recht, dass wir noch mehr tun könnten und das dann auch medienwirksamer.

Interview: Robin Ziltener

Einführungsreferat von Pfarrer Ralph Müller zur Erwachsenenbildungsreihe, Thema: Frieden in der Bibel, Samstag, 14. Jan, 17.00 Uhr, ref. Kirchgemeindehaus

Zurück

Hinterlassen Sie einen Kommentar