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INTERVIEW – Die geistlichen Ritterorden gestern und heute

Der Männertreff 50+ vom 10. März widmet sich den geistlichen Ritterorden Malteser und Johanniter. Für einmal sind es mit Christophe Beaud (CB) und Daniel Hug (DH) zwei Referenten, die im Interview auf die heutige Arbeit der Orden eingehen.


Christophe Beaud und Daniel Hug. Malteser- und Johanniterorden verfügen beide über eine sehr lange Tradition. Wo liegt das heutige Schwergewicht in der Ordensarbeit?

CB: Der Malteserorden handelt nach dem Prinzip «Bezeugung des Glaubens und Dienst an den Armen und Kranken». In Zürich beispielweise helfen unsere Freiwilligen regelmässig im Mathilde-Escher Heim und arbeiten mit der Vereinigung «Cerebral» zusammen.

DH: Sowohl der römisch-katholische Malteserorden als auch der evangelische Johanniterorden sind als Ritterorden des heiligen Johannes mit «gemeinsamer Geschichte und gemeinsamem Auftrag» unterwegs: Für den christlichen Glauben einzustehen sowie Kranken und Bedürftigen zu helfen. Den ehrenamtlichen Dienst an Kranken und Bedürftigen nehmen wir in der Schweiz beispielsweise dadurch wahr, dass wir uns in Zusammenarbeit mit der Stiftung «Villa YoYo» für die Integration und das friedliche Zusammenleben von Kindern aus allen Glaubens- und Kulturkreisen einsetzen oder beim Verein «Tischlein deck dich» für die Verteilung von Lebensmitteln an armutsbetroffene Menschen engagieren.


Nach der Reformation kam es zu einer Teilung in einen katholischen (Malteserorden) und reformierten (Johanniterorden) Zweig. Gibt es heute eine Zusammenarbeit zwischen diesen Zweigen?

DH: Tatsächlich wird unter dem Begriff «Johanniterorden» heute in erster Linie die evangelische Ordensgemeinschaft verstanden, die nach dem Übertritt des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg zur Lutherischen Lehre im Jahre 1538 aus der Ballei Brandenburg des römisch-katholischen Ritterordens der Johanniter hervorging. Derweil tritt die römisch-katholische Ordensgemeinschaft seit ihrer Ansiedlung auf der Insel Malta um 1530 unter dem Namen «Malteserorden» auf. Obwohl die beiden Orden kirchenrechtlich getrennt sind, behielten sie ihre guten Beziehungen bis heute bei, was in der Schweiz in einer sehr engen Zusammenarbeit zum Ausdruck kommt, beispielsweise im Malteser Hospitaldienst, bei der Malteser Stiftung Aide & Assistance oder bei «Tischlein deck dich», wo wir in Altstetten gemeinsam eine Abgabestelle betreiben.


Können Sie mir anhand eines aktuellen Beispiels aufzeigen, wie die Orden arbeiten und wo sie sich engagieren?

CB: Wir begleiten Behinderte und Kranke auf Pilgerreisen, besuchen ältere Menschen zuhause oder in Heimen und Kranke in Krankenhäusern, helfen Obdachlosen und Menschen in prekären Verhältnissen. Ein konkretes Beispiel ist der «Point d’Eau» in Lausanne, wo wir verschiedene Dienstleistungen für Menschen in prekären Situationen anbieten: medizinische und paramedizinische Konsultationen sowie Hygienedienste.

DH: Gemeinsam haben wir im vergangenen Jahr über 40 Hilfstransporte in die vom Ukraine-Krieg betroffene Region geschickt. Der erste Transport hat am 28. Februar 2022, nur fünf Tage nach Kriegsausbruch, die Schweiz Richtung Polen verlassen, prall gefüllt mit Spitalmobiliar für ein ad hoc Spital in Międzyrzecz.


Die Hierarchie des Malteser- und Johanniterordens orientiert sich noch an mittelalterlichen Strukturen. Inwieweit beeinflusst das die Arbeit und den Nachwuchs, bzw. müssen neue Mitarbeitende bestimmten Normen entsprechen?

CB: Die 900-jährige Tradition verhindert eine moderne Organisation der Werke nicht. In der Schweiz sind wir in allen Assoziationen und Stiftungen dem Schweizerischen Obligationsrecht unterstellt. Unsere religiöse und militärische Herkunft ist eher ein Strukturvorteil, aber wir kennen trotzdem dieselben Führungsprobleme wie alle Institutionen, wo Freiwillige eingesetzt werden.

DH: In unseren beiden Orden und ihren Werken verbindet sich eine bewährte Tradition mit notwendigen Anpassungen an die Zeit. Für die tägliche Arbeit, die schwergewichtig in den überkonfessionellen Werken stattfindet, spielen die vielleicht etwas altmodisch anmutenden Organisationsstrukturen eine untergeordnete Rolle. Wesentlich bedeutsamer ist, dass unsere beiden Orden keine beliebigen Vereine oder Clubs, sondern von ihrem Ursprung her geistliche Ritterorden sind. Entsprechend setzt die Mitgliedschaft in unseren Orden und ihren Werken voraus, dass das christliche Profil unserer Organisationen bejaht wird und die Bereitschaft besteht, nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Arbeitskraft für die Erfüllung unserer zahlreichen Aufgaben aufzubringen.


Wie sieht es mit Nachwuchs aus?

CB: Die Werte der Generation Z und die des Malteserordens sind auf den ersten Blick nicht kompatibel. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass die Nächstenliebe nicht verschwinden wird. Unser jährliches internationales Sommerlager – welches 2024 in der Schweiz stattfindet – mit 150 Behinderten und 300 jungen Helferinnen und Helfern aus 20 verschiedenen Länder ist ein perfektes Beispiel dafür.

DH: Tatsächlich werden unsere Mitglieder immer älter, derweil jüngere Menschen zunehmend traditionelle Ideale in Frage stellen und nach Selbstverwirklichung streben. Vor diesem Hintergrund ist die Neumitgliederwerbung eine Herausforderung, auch wenn wir mit attraktiven Alleinstellungsmerkmalen aufwarten können. Sowohl für unsere Orden, als auch für ihre Werke, wird der Nachwuchs in der Regel durch bestehende Mitglieder angeworben. Obwohl sich unsere Orden und ihre Werke längst auch für andere geeignete Kandidaten geöffnet haben, stammen viele Neumitglieder nach wie vor aus früheren Ritterfamilien, mit einer entsprechend klassischen Erziehung.


Mittelalterliche Ritterorden wie Templer, Deutschritter oder Malteser üben eine grosse Faszination aus, was sich in vielen Filmen und Büchern (z.B. Dan Browns «Illuminati») bemerkbar macht. Wie erklären Sie sich das?

CB: Die zahlreichen Mythen und Legenden haben wahrscheinlich viel mehr mit dem tragischen Ende der Templer im 1314 zu tun als mit der Geschichte unseres Ordens.

DH: Das liegt vielleicht dran, dass wir ein völlig verklärtes Bild von dieser Epoche haben. Der Ritter steht für Abenteuerlust, Leidenschaft‚ Ehrlichkeit und Tapferkeit. Das Mittelalter wird mit Ruhe, Einfachheit und Naturverbundenheit in Verbindung gebracht. Fürchterliche Kriege, Leibeigenschaft, Pest, bittere Armut und fehlende medizinische Versorgung werden ausgeblendet. Übrig bleibt ein vermeintliches Gegenbild zur heutigen Zeit, das auf viele Menschen anziehend wirkt und für entsprechende Filme und Bücher empfänglich macht.

Männertreff 50+, Freitag, 10. März 2023, ref. Kirchgemeindehaus, 18.30 Uhr: Apéro und gemeinsames Nachtessen, 20.00 Uhr: Referat. Kostenbeitrag: 30 Franken. Eine Anmeldung bis 6. März unter www.refkilch.ch/anmeldung, info@refkilch.ch oder Tel. 044 715 56 51 ist notwendig

Hier finden Sie weitere Angaben und die Broschüre zum Männertreff 50+ im 2023

Interview: Robin Ziltener

Christophe Beaud, Schweizer, geboren 1965 in Sierre, ist ein Investor und Unternehmer. Er begann seine Karriere bei Jacobs Suchard und wurde nach einigen Jahren Finanzdirektor von Knorr/Bestfoods in der Schweiz, restrukturierte seine Finanzabteilung und leitete zahlreiche M&A-Missionen in ganz Europa. Für die Gruppe folgten mehrjährige Auslandseinsätze in Brüssel und New Jersey. 1999 baute er zusammen mit Partnern surfEU.com auf, einen pan-europäischen Internetanbieter, der einige Jahre später erfolgreich verkauft wurde. 2005 machte er sich selbständig und gründete einen internationalen Telekomanbieter mit Hauptsitz in Zürich. Die peoplefone Gruppe ist heute in sieben europäischen Ländern mit über 100 Mitarbeitern tätig.

Christophe Beaud ist verheiratet und Vater dreier Jugendlichr. Er schloss sein Studium an der Universität St. Gallen ab und verfügt über einen Master-Abschluss der University of Chicago. Zu seinen karitativen Aktivitäten gehören die Mitgliedschaft in der Helvetischen Assoziation des Malteser Ordens als Vize-Kommandant des Malteser Hospitaldienstes und die Funktion als Schatzmeister der Mission Catholique de Langue Française in Zürich. In der Schweizer Armee war er Kommandant eines Panzergrenadier-Batallions und ist noch aktiv im militärischen Nachrichtendienst der Armee im Rang eines Obersten.

Daniel Hug, Schweizer, geboren 1966 in Bern, verfügt über eine mehr als 30-jährige Erfahrung im Bank- und Finanzwesen. Er war Mitglied der Geschäftsleitung bei der VP Bank Schweiz, Direktor bei der HSBC Private Bank und Geschäftsleitungsmitglied der Amtsersparniskasse Schwarzenburg. Zuvor war er als Revisionsleiter bei Ernst & Young tätig. Seine Ausbildung umfasst einen Studienabschluss in Betriebswirtschaft an der Universität Bern (lic.rer.pol.), einen Master of Business Administration der Universität Genf, einen Executive Master of Business Administration der Carnegie Mellon University in Pittsburgh sowie weitere berufsqualifizierende Abschlüsse wie den Trust and Estate Practitioner TEP und den Certified Financial Planner CFP.

Daniel Hug ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Zu seinen zahlreichen ehrenamtlichen Engagements gehören die Mitgliedschaften in der schweizerischen Kommende des Johanniterordens sowie im Malteser Hospitaldienstes der Schweiz, wo er sich regelmässig zu Gunsten von benachteiligten Menschen im In- und Ausland einsetzt. In der Schweizer Armee bekleidet Daniel Hug den Rang eines Obersten der Artillerie.

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