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Interview – Abschied vom Seespital

Das Seespital schliesst Ende 2022, und Renate Hauser wird am 11. Dezember nach 15 Jahren als Spitalseelsorgerin ihren Abschiedsgottesdienst feiern. Im Interview hält sie Rückschau.

Renate Hauser, mit welchen Gefühlen feiern Sie Abschied vom Seespital?

Ich bin natürlich wehmütig, vor allem aber auch dankbar. In diesen langen Jahren sind viele Freundschaften entstanden, und ich bin dankbar für viele Beziehungen und Begegnungen. Der Abschied fällt mir nicht leicht. Ich hoffe, dass ich die Bewohnerinnen und Bewohner des vierten Stockes (Pflegeabteilung) weiterhin begleiten kann. Das wird sich noch weisen. Aber es ist gut zu wissen, dass ab 2026 hier das Sanatorium eine Heimat findet – ich denke, das wäre auch im Sinn der Dominikanerinnen gewesen, die das Spital gegründet haben.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit unserer Kirchgemeinde gemacht?

Ich bewundere deren Lebendigkeit. Es läuft vieles, sehr Gutes, Hut ab! Ich lernte viele interessierte Gottesdienstbesuchende aus der Gemeinde kennen; man spürt, dass hier eine gute Tradition lebt. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen war sehr schön, so dass wir nun schon über zehn Jahre zusammen den Krankensonntag in der Spitalkapelle gestalten. Erwähnen möchte ich auch das Engagement der Freiwilligen: Während all dieser Jahre gab es jeden Monat mindestens drei Helferinnen und Helfer, die es ermöglichten, Gottesdienste zusammen zu feiern. Überhaupt hat Kilchberg viele engagierte Menschen in der Freiwilligenarbeit! Dankbar bin ich auch der Kantorei, die jedes Jahr einmal einen unserer Gottesdienste mitgestaltet hat. Bei einem Weihnachtsoratorium habe ich auch selber mitgesungen, das war wunderschön!

Vor 15 Jahren hatten Sie hier Ihren ersten Arbeitstag. Wie erinnern Sie sich an Ihre Anfänge?

Einerseits besinne ich mich noch, dass ich im ersten Winter stets über die Buchenegg fahren musste, den Uetlibergtunnel gab es noch nicht. Zum andern muss ich lachen: der damalige Direktor, Georg Humbel, meinte gleich in den ersten Tagen: «Jetzt haben wir ja zwei neue junge Seelsorger, die sollen gleich unsere Weihnachtsfeier gestalten!» Damals waren das riesige Anlässe an zwei Abenden hintereinander, so dass alle einmal feiern konnten. Mein katholischer Kollege und ich wurden also buchstäblich ins kalte Wasser geworfen, und es wurde sehr schön!

Gibt es Erlebnisse, an die Sie sich besonders erinnern?

Da gibt es natürlich sehr viele. Mehrmals wurde ich von Pflegenden gefragt, ob ich sie traue und ihre Hochzeit gestalte. Aber oft habe ich Menschen und ihre Angehörigen auch im Sterben begleitet. Das vergisst man nicht. So erinnere ich mich z.B. an einen heissen Junitag, an dem ich gegen Abend zu einer Frau gerufen wurde, deren Tod bevorstand. Ihr Wunsch war es, noch getauft zu werden. Ihre Schwester entschloss sich ebenfalls, sich taufen zu lassen, und so sassen wir abends mit Bett und Stühlen in der Kapelle und feierten zu fünft die Taufe dieser beiden Schwestern. Das war sehr berührend. Am nächsten Morgen starb die Frau im Frieden.

Sie waren lange im Seespital tätig. Was fanden Sie sinnvoll/schön in diesen Jahren?

Oh, das kann man selbst wohl nie endgültig beantworten. Aber ich meine, dass viele Gespräche wichtig waren und guttaten. Dass mancher Gottesdienst erfüllt war, und ich den Besuchenden etwas mitgeben konnte. Und natürlich empfand ich auch die Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen als sehr wichtig. Aber meine Arbeit bestand ja oft auch im Teilen des Alltags mit Mitarbeitenden und Patienten, und es war schön, auch gemeinsam zu lachen. Die ganze Coronazeit war sehr intensiv; die Patienten und Bewohnerinnen durften über lange Zeit hinweg keinen Besuch empfangen. Es war eine Herausforderung, für alle da zu sein. Gleichzeitig empfand ich es als Privileg, jederzeit Zugang zu Patientinnen und Patienten zu haben. Weihnachten 2020, das waren besondere Weihnachten… Der Zusammenhalt mit den Pflegenden wuchs in dieser Zeit besonders stark.

Allfällige Wermutstropfen?

Natürlich war es nicht immer lustig. Die erste Fusion vom Sanitas-Spital zum Seespital und damit der Verlust von vielen langjährigen Mitarbeitenden wie auch der Geburtenabteilung war nicht leicht zu verkraften. Und auch die Schliessung jetzt hat für die Mitarbeitenden viele Unsicherheiten gebracht, was nicht immer einfach war. Meine Kollegin und ich haben mit vielen Mitarbeitenden in dieser schwierigen Zeit gesprochen und ihnen zugehört. Mich persönlich hat der Abschied von manchen Pflegenden auch traurig gemacht, da ich mit vielen freundschaftlich verbunden war.

Das Spital schliesst. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Ich möchte gerne niedrigprozentig noch ein Jahr weiterarbeiten und beispielsweise die Menschen im 4. Stock begleiten. Aber natürlich freue ich mich, auch mehr Zeit für die wachsende Familie und Freundinnen zu haben, wieder vermehrt Musik zu machen und mit meinem Mann zu reisen und zu wandern.

Interview: Robin Ziltener

Abschiedsgottesdienst Pfarrerin Renate Hauser, So, 11. Dez. 2022, 10.00 Uhr, Seespital

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